Unsere Antwort. Die AfD und wir.

Mrz 16, 2021 | Aktuelles, Literatur, Unkategorisiert

Eine Streitschrift für oder gegen die Akzeptanz der AfD im Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller bei Ver.di

Im „Superwahljahr“ stellt sich mehr denn je die Frage: Wie gehen wir mit der AfD um. Während selbst der sonst – gerade bei Parteien – besonders vorsichtige Verfassungsschutz nicht mehr nur noch einzelne Parteimitglieder unter Beobachtung stellen will sondern inzwischen auch die ganze AfD, stellt sich Bürger*innen und der Zivilgesellschaft eine ganz andere Frage: Sollen wir mit Vertreter*innen der populistischen Rechten, Reichsbürger*innen und anderen Nationalist*innen, Rassist*innen, Demokratie- und Menschenverächter*innen überhaupt noch sprechen? Dieser Frage hat sich 2018 auch der Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller bei Ver.di gestellt und sie in vielen Austauschen diskutiert. Daraus ist das ebenso vielschichtige wie interessante Büchlein „Unsere Antwort. Die AfD und wir“ entstanden, das Klaus Farin im Hirnkost Verlag auf den Markt brachte.

Zur Diskussion stand, ob der VS AfD-Mitglieder durch eine „Unvereinbarkeitserklärung“ aus seinen Reihen heraushalten solle, oder ob die Selbstverpflichtung zu Meinungsfreiheit und Pluralismus auch denen einen Raum bieten muss, die selbst Meinungsfreiheit und Pluralismus per Parteizugehörigkeit mit Füßen treten.

Interessant ist an der Diskussion vor allem: Niemand im Verband schätzt AfD-Mitglieder oder gar Führungskader der Partei als demokratische Player. Die Meinung unter den Schriftsteller*innen ist unisono, dass die Partei als Sammelbecken rechter, nationalistischer, gewaltbereiter, antisemitischer und demokratiefeindlicher Bürger*innen mehr und mehr Platz auch in der öffentlichen Diskussion bietet. Und genau hier setzt die Frage an: Müssen, sollen, dürfen wir diesen Personen eine weitere Plattform bieten?

Wie in der übrigen Gesellschaft auch – nur an vielerlei Stellen feiner und differenzierter formuliert – kreist die Diskussion im Buch um die Frage: Sollen wir die Rechten in Form von AfD-Mitgliedern ausschließen und ausgrenzen, oder müssen wir uns einer Diskussion stellen. Eine Fraktion der Autor*innen hält es ähnlich wie Klaus Farin. Er bezeichnet die genannten Gruppen als „lästigen Pickel“, der eben nun mal in  einer Gesellschaft existiert und irgendwann auch wieder verschwinden wird – und mit dem man leben muss. Vielmehr müsse man die Ursachen für das erstarkte öffentliche Interesse am rechten Populismus benennen und bekämpfen.

Andere wollen diesen Pickel lieber ausmerzen. Auch sie treten dafür ein, die gesellschaftlichen Missstände auch durch eigenes öffentliches Eintreten zu erklären und zu beseitigen. Doch sie erklären, dass menschenfeindliches Denken in einem freiheitlich und demokratisch orientierten Verband kein Platz haben darf. Lena Falkenhagen sagt in diesem Sinne: „Muss man mit den Rechten reden? Sicherlich mit jenen, die bereit sind zu einem echten Diskurs. Nicht hingegen mit jenen, die die Diskussion bloß für Tabubrüche, Opferrollengehabe und Profilierungssucht verwenden wollen.

Die Diskussion im VS steht stellvertretend für viele Gesellschaftsbereiche. Die populistische und extreme Rechte im Land stellt alle demokratischen Institutionen, Vereine und Verbände auf die Geduldsprobe, die die Grenzen der Toleranz in Mitleidenschaft zieht. Wir alle müssen uns auf die eine oder andere Art mit ihr auseinandersetzen. Das ist lästig, meist unappetitlich und oft auch zeitverschwendend. Aber wir werden wohl nicht drum herum kommen. Und gute Argumente für bzw. gegen die Diskussion bietet das vorliegende Buch.

PS: Der VS konnte sich nach der langen Diskussion übrigens nicht auf einen Unvereinbarkeitsbeschluss einigen.

Jörg Wild

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