Der Roman über das Leben von Harriet Tubman ist neu aufgelegt worden
Kein Zweifel: Die kleine schwarze Frau mit der riesigen Narbe an ihrer Stirn war eine der engagiertesten Freiheitskämpferinnen ihrer Zeit. Die 1822 geborene Harriet Tubman verkörpert das Wirken der amerikanischen Sklavenbefreiungsorganisation „Underground Railroad“ wie kaum eine andere Person. Ein gelungener Roman von Ann Petry aus dem Jahr 1955 über ihr Leben ist jetzt frisch aufgelegt worden.
Vom Verlag wird es ganz bewusst und gezielt auch als Jugendbuch beworben – zu Recht! Denn anhand des Schicksals von Harriet Tubman lässt sich wunderbar nachzeichnen, was Sklaverei eigentlich bedeutet: Gewalt, Unfreiheit, Entzug von Würde und Menschenrechten. Und es zeigt, was Menschen auf sich nehmen, um die Freiheit zu erlangen.
Harriet Tubman wurde in der Sklaverei auf einer Farm in Maryland geboren und träumte davon, frei zu sein. Lange haderte sie, ob sie eine Flucht gen Norden wagen soll. Als das Risiko eines Verkaufs auf eine der Bauwollplantagen im Süden der USA zu groß wurde, flüchtete sie. Die Geheimorganisation „Underground Railroad“ half ihr und wurde damit auch zur neuen Heimat für die mutige Frau.
Wichtig zu wissen: Die „Underground Railroad“ war von etwa 1849 bis zum Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs 1865 aktiv. Sie half geflüchteten Sklaven, aus den Südstaaten in die Nordstaaten der USA oder nach Kanada zu gelangen. Der grandiose Schriftsteller Colson Whitehead hat der Organisation ein literarisches Denkmal gesetzt, für das er den Pulitzerpreis erhielt.
Harriet Tubman genoss dies Freiheit mit viel Arbeit und in Armut – und weil sie mehr Sklaven zur Freiheit verhelfen wollte, reiste sie in den folgenden Jahren immer wieder nach Süden. Sie half erst ihren Familienmitgliedern und später geschätzten 600 anderen Sklaven, den Weg in die Nordstaaten zu finden. Dabei bekam den passenden Codenamen Moses. Im Amerikanischen Bürgerkrieg arbeitete sie als Kundschafterin für die Nordstaaten.
Als die Sklaverei in den USA durch den 13. Zusatzartikel der Verfassung offiziell abgeschafft wurde, engagierte Harriet Tubman sich in der Frauenbewegung. Heute zählt sie in den USA zu den bekanntesten historischen Persönlichkeiten des Abolitionismus, ihr Name steht in einer Reihe mit Rosa Parks und Martin Luther King.
Interessant an der überarbeiteten Übersetzung ist die explizit erläuterte sprachlich-moralische Korrektheit, die heute nötig wird. Ausdrücke aus dem Original-Buch wie „negroes“ oder „indians“ werden zeitgemäß umgewandelt. Die Autorin schreibt über Harriets Leben in romanhaften Szenen und reichert jedes größere Kapitel mit einer ausführlichen Information zur Geschichte der Sklaverei an.
Text: Jörg Wild
Beitragsfoto Harriet Tubman: Wikipedia_Photographer Horatio Seymour Squyer, 1848 – 18 Dec 1905 – National Portrait Gallery
Ann Petry: Harriet Tubman. Fluchthelferin bei der Underground Railroad.
Nagel & Kimche 2022
256 Seiten, 16,50 Euro