Ergebnisse der jüngsten Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2021/22“
Der Schock von 21 Monaten Corona-Pandemie sitzt in der jungen Generation tief. Das zeigt die dritte aktuelle Trendstudie „Jugend in Deutschland“. Sie basiert auf einer repräsentativen Befragung junger Menschen im Oktober 2021. Immer noch leiden viele von ihnen unter psychischen Belastungen. Sie beklagen den Kontrollverlust bei ihrer Alltagsgestaltung, den persönlichen Beziehungen und der Bildungs- und Berufslaufbahn. Doch ihre größten Zukunftssorgen sind die Auswirkungen des Klimawandels und die unsichere wirtschaftliche Zukunft mit schwindender Aussicht auf eine funktionierende Alterssicherung. Die Lösung dieser Probleme erwarten sie von der Politik.
Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ des Jugendforschers Simon Schnetzer und Co-Autors Prof. Dr. Klaus Hurrelmann erscheint in halbjährlichem Rhythmus und basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung der deutschsprachigen Bevölkerung im Alter von 14 bis 29 Jahren. Damit bietet sie tiefe Einblicke in die junge Gedankenwelt.
„Die Studie zeichnet das Bild einer grundsätzlich politisch wachen und aktiven jungen Generation, die sich ihrer wichtigen gestalterischen Rolle für die Zukunft des Landes bewusst ist. Die Pandemie hat sie allerdings in einer äußerst sensiblen Lebensphase getroffen, und nur ganz allmählich erholt sie sich von den einschneidenden Auswirkungen“, fasst der Autor Simon Schnetzer zusammen. „Nur eine Minderheit bringt die Kraft auf, sich der großen Herausforderung zu stellen und den eigenen Lebensstil aktiv zu verändern, obwohl sie das selbst stark befürwortet. Die große Mehrheit ist noch nicht bereit, die liebgewordenen Gewohnheiten in den Bereichen Konsum, Mobilität, Ernährung aufzugeben und wartet erst einmal auf Entscheidungshilfen durch die Politik“, ergänzt Co-Autor Klaus Hurrelmann.
Nicht so „grün“ wie erwartet
Eine genaue Analyse des ökologischen Verhaltens zeigt, dass die Jugend in Deutschland nicht so „grün“ ist, wie sie manchmal unter dem Eindruck von aktiven Umweltbewegungen wahrgenommen wird. Rund 60% der 14- bis 29-Jährigen sind regelmäßig privat mit einem Auto unterwegs. Der Anteil der Befragten, die bereit sind, dauerhaft auf ein eigenes Auto (19%) oder auf Flugreisen (27%) zu verzichten, ist noch gering. Hoch ist dagegen der Anteil derer, die hin und wieder neue Verhaltensweisen erproben und möglicherweise auf lange Sicht bereit sind, ihr Verhalten zu verändern. „Der größte Gegenspieler von Veränderung ist die Komfortzone des Wohlfahrtstaats, in der sich die jüngere Generation nach dem Vorbild ihrer Eltern bequem eingerichtet hat. Unter diesen Umständen kann der von jungen Leuten mehrheitlich befürwortete Klimaschutz nur mit klaren Regeln und Vorgaben durch die Politik gelingen“, so Klaus Hurrelmann.
Eine gründliche Untersuchung des Essverhaltens kommt zu einem ähnlichen Schluss: Die große Mehrheit von 56% isst ohne Einschränkungen, doch bereits 44% erprobt alternative Ernährungsformen. Es ist bemerkenswert, dass sich ein so großer Teil der jungen Menschen gegen traditionelle Ernährungsmuster entscheidet und sich vegetarisch, vegan oder zumindest flexitarisch ernährt.
Die Sorgen der Jugend als Forderung an die Politik
Es sind die ganz großen Zukunftssorgen, welche die jungen Leute umtreiben. Konkret bereiten 56% der Befragten der Klimawandel Sorgen, der Zusammenbruch des Rentensystems 48% und die Folgen einer Inflation 46%. Die in der letzten Erhebung im Sommer 2021 dominierende Spaltung der Gesellschaft treibt aktuell 44% um. Diese Zukunftssorgen bestimmen auch die Erwartungshaltung der Jugend an die neue Bundesregierung: Sie soll die Rente (59%) und eine lebenswerte, klimagerechte Zukunft (54%) sichern. Außerdem soll sie die Digitalisierung des Bildungssystems aktiv fördern (49%) und berufliche Perspektiven sichern (47%). „Auffällig ist der hohe Stellenwert der Sicherung der Rente. Im Vergleich zu früheren Studien ist das ein neuer Akzent, der aufhorchen lässt. Am Horizont zeichnet sich als neues Konfliktpotenzial die große Sorge der Jungen um ihre Altersabsicherung im Lichte der demografischen Entwicklung ab“, so Simon Schnetzer.
Corona-Schock lässt nur langsam nach
40% der Befragten klagen aktuell immer noch über Beeinträchtigungen ihrer psychischen Befindlichkeit, obgleich die tatsächlich erlebten Einschränkungen nicht ganz so gravierend sind, wie von ihnen zu Beginn der Pandemie befürchtet wurde. Der größte Teil der jungen Leute hat sich inzwischen mit den veränderten Bildungs- und Arbeitsbedingungen (Homeschooling, Homeworking usw.) arrangiert und sich pragmatisch auf sie eingestellt.
Hohe Impfbereitschaft
69% der Befragten 14- bis 29-Jährigen sind bereits vollständig geimpft. Die große Mehrheit zeigt eine hohe Impfbereitschaft. Simon Schnetzer erklärt: „Die jungen Leute sehnen sich danach, so schnell wie möglich ihre Freiheiten für die Lebensgestaltung zurückzugewinnen.“ Obwohl sich nur 19% vor einer Infektion sorgen, hält sich die überwiegende Mehrheit nach wie vor an die AHA-Vorsichtsregeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) und nimmt Rücksicht auf Freunde und Familie. Ein knappes Fünftel der jungen Leute bezeichnet sich selbst als Impfverweigerer oder -skeptiker. Dieser Wert ist seit dem Sommer 2021 unverändert und liegt auf der gleichen Höhe wie in der älteren Bevölkerung.
Beitragsfoto: S.H. Gue auf unsplash