Interview mit Michail Chatzimimikos vom Youth Empowerment Center in Thessaloniki
Der Leiter der Jugendorganisation Youth Empowerment Center erzählt im Gespräch mit unserer Blogredakteurin Lisa Brüßler von agorayouth.com, was sein Team während der Pandemie gelernt hat, um benachteiligte Jugendliche zu erreichen, und warum sie sich im deutsch-griechischen Jugendaustausch engagieren wollen.
Agorayouth: Michail, erzähl uns ein bisschen über das Youth Empowerment Center in Thessaloniki. Worum geht es bei eurer Arbeit?
Michail Chatzimimikos: Das Youth Empowerment Center ist eine Jugendorganisation, die aktiv mit jungen Menschen zwischen 17 und 26 Jahren in Thessaloniki arbeitet. Wir erreichen vor allem junge Menschen mit geringeren Möglichkeiten, junge Menschen, die mit bestimmten sozialen und wirtschaftlichen Hindernissen zu kämpfen haben, sowie Jugendliche mit Migrations- und/oder Flüchtlingshintergrund. Seit kurzem haben wir auch Kontakt zu einer Gruppe von Roma-Jugendlichen aufgenommen.
Unser Hauptziel ist es, die aktive Jugendbeteiligung der Jugendlichen zu unterstützen und gleichzeitig ihre Lernentwicklung in Themenfeldern zu fördern, die der formale Bildungsbereich nicht abdeckt und die nur die Jugendarbeit abdeckt, z.B. Menschenrechtsbildung oder staatsbürgerliche Bildung. Unsere Arbeit umfasst daher Einzelgespräche, Gruppenarbeit mit nicht-formalen Aktivitäten und Workshops zu verschiedenen Themen ihrer Wahl sowie die Unterstützung bei der Entwicklung und Durchführung eigener Aktivitäten. Diese Projekte sind nicht nur auf unsere nationale Realität beschränkt, denn wir sind auch im Bereich der internationalen Jugendarbeit durch das Erasmus+ Programm sehr aktiv. Im Moment führen zwei Gruppen ihre eigenen internationalen Jugendaustauschprojekte durch, und wir freuen uns, sie bei der Umsetzung zu unterstützen.
Agorayouth: Ihr habt 2015 mit einer Solidaritätsaktion während der sogenannten „Flüchtlingskrise“ begonnen – wie kam es dazu, dass Ihr Euch verstärkt in der europäischen Jugendarbeit engagiert?
Michail Chatzimimikos: Diese Situation hat dazu geführt, dass wir uns aktiv in anderen Jugendorganisationen engagieren und an verschiedenen Jugendprojekten und Schulungen für Jugendarbeiter teilgenommen haben. Durch diese Schulungen haben wir einen regelrechten Werkzeugkasten an Fähigkeiten kennengelernt, mit dessen Hilfe wir die ersten Schritte im Bereich der Jugendarbeit und der internationalen Jugendarbeit unternehmen konnten. Diese Trainingskurse gaben uns wertvolle Lektionen, aber der direkte Kontakt mit den Jugendlichen, mit denen wir bisher gearbeitet haben, hat uns noch viel mehr gelehrt.
Agorayouth: Wie führt Ihr Eure Organisation in der Praxis?
Michail Chatzimimikos: Im Moment ist unser Team klein und wir betreiben die Organisation auf ehrenamtlicher Basis. Unser Ziel in der nahen Zukunft (wenn Covid-19 es uns erlaubt) ist es jedoch, eine bessere Finanzierung zu sichern, die es uns erlaubt, uns in unserer Organisation auf einer professionellen/vollzeitlichen Basis zu engagieren, so dass die Wirkung unserer Aktivitäten deutlich verbessert wird.
Agorayouth: Du hast die Pandemie erwähnt. Wie seid Ihr in den letzten Monaten mit der Situation umgegangen? Wie habt Ihr die Jugendlichen erreicht?
Michail Chatzimimikos: Wie viele andere Jugendorganisationen in Europa wurden auch wir von der Covid-19-Pandemie stark beeinflusst. Diese Situation hat die meisten unserer lokalen und internationalen Aktivitäten zum Erliegen gebracht. Es war und ist eine sehr herausfordernde Zeit für uns, deshalb nutzen wir digitale Medien, um die Verbindung zu unseren Jugendgruppen aufrecht zu erhalten. Wer mit unterprivilegierten Jugendlichen arbeitet, weiß allerdings, dass der Zugang zum Internet und zu Computergeräten für sie ein Privileg ist.
Daher haben wir versucht, mit viel Fantasie wieder entweder Treffen zu veranstalteten, bei denen wir den nötigen Abstand hielten, oder wir haben Messenger-Diskussionen genutzt, um uns in dieser Zeit gegenseitig zu unterstützen. Das wichtigste Lernergebnis, das wir in dieser Zeit gewonnen haben, war, dass das Feld der Jugendarbeit niemals so sein wird, wie es einmal war. Es wird sich weiter digitalisieren, und wir sollten unsere digitalen Fähigkeiten immer wieder auf den neuesten Stand bringen, um erfolgreich mit unseren Jugendlichen zu arbeiten und gemeinsam mit den Herausforderungen, die das 21. Jahrhundert mit sich bringt.
Agorayouth: Du hast noch nicht am deutsch-griechischen Jugend- und/oder Fachkräfteaustausch teilgenommen. An welchen Projekten seid Ihr interessiert? Welche Art von Partnern sucht Ihr?
Michail Chatzimimikos: Auf jeden Fall wollen wir uns engagieren! Diese Motivation hängt mit unserem Engagement zur Förderung des interkulturellen Dialogs innerhalb unserer Gemeinschaft zusammen. Griechenland und Deutschland haben eine sehr turbulente Geschichte, besonders während des 20. Jahrhunderts, und Initiativen wie der deutsch-griechische Austausch können die Chance bieten, Stereotypen zu durchbrechen, mehr über die andere Kultur zu lernen und zu verstehen, was uns verbindet und nicht trennt. Auch griechische und deutsche Jugendbetreuer können viel voneinander lernen und sich über gute Praktiken und Methoden für eine sinnvollere Arbeit mit ihren Jugendgruppen informieren.
Wir ziehen es vor, uns in Jugendaustauschprojekten zu engagieren, die auf den Interessen der teilnehmenden Jugendlichen basieren. Dies ist unser Hauptansatz, daher sollte und muss Jugendarbeit ein von Jugendlichen geführter Bereich sein. Im Hinblick auf den Austausch von Jugendarbeitern sind wir an Themen interessiert, die mit Menschenrechtsbildung und politischer Bildung zu tun haben. Wir suchen hauptsächlich nach Partnern, die den gleichen wertebasierten Ansatz mit uns teilen, und die durch ihre Jugendarbeitspraxis eine Veränderung in ihren Gemeinden erleben wollen.
Das Original-Interview in englischer Sprache ist auf unserem Blog agorayouth.com veröffentlicht.
Beitragsfoto: Youth Empowerment Center Thessaloniki